Das Regierungsgebäude

Das Regierungsgebäude am Stubenring hat eine lange, bewegte Geschichte hinter sich. Im Jahr 1913 wurde das Gebäude eingeweiht und hat in den mehr als hundert Jahren seines Bestehens verschiedenste Institutionen beherbergt. Heute sind hier vier Ministerien untergebracht.

Das Regierungsgebäude nach seiner Fertigstellung

Das Regierungsgebäude am Stubenring ist mehr als hundert Jahre alt und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die untrennbar mit jener des ganzen Landes verbunden ist.

Bei seiner Entstehung war es das modernste Bürogebäude seiner Zeit, heute ist es sicher eines der traditionsreichsten. Die Mauern dieses ehemaligen k.u.k. Kriegsministeriums spiegeln die epochalen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts wider.

Hinweis

Diese Serie besteht aus drei Beiträgen:

Die Anfänge

1857 bekundete Kaiser Franz Joseph seinen Willen, die Wiener Stadtmauern schleifen zu lassen. Anstelle der veralteten Befestigungsanlagen sollte der Prachtboulevard der Donaumonarchie entstehen. Die Realisierung des neoklassizistischen Großprojekts zog sich über Jahrzehnte. Mit der Verbauung des Stubenviertels, dessen Name sich von den dort bereits im 12. Jahrhundert existierenden Bade- und Trinkstuben ableitet, wurde ab dem Jahr 1890 begonnen.

Durch die Parzellierung der Grundstücke, den Abbruch der Franz-Josefs-Kaserne, die Regulierung des Wien-Flusses und die Miteinbeziehung der Glacis-Gründe wurde Platz für den geplanten Neubau des Kriegsministerialgebäudes geschaffen. Auf 13.815 Quadratmetern sollte dieser letzte Monumentalbau der Ringstraße errichtet werden. Letztverantwortlich für die Realisierung zeichnete sich der Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand. Zum Bauleiter wurde Feldmarschallleutnant Josef Edler von Ceipek ernannt.

Der Wettbewerb

Den Startschuss zum Bau gab 1907 ein Architekturwettbewerb. Repräsentation und Funktionalität waren die Eckpunkte der Ausschreibung. Ein weiteres Kriterium bildete die architektonische Integration des Radetzky-Denkmals, das sich damals noch vor dem alten Reichskriegsministerium in der Inneren Stadt am Hof 2 befand. Unter den 66 eingereichten Entwürfen waren auch Vorschläge von Otto Wagner und Adolf Loos. Ihre nach damaligen Maßstäben nüchternen und schlichten Skizzen trafen jedoch nicht den Geschmack der Bauherren. Schlussendlich ging das historistische Projekt „Maria Theresia“ von Ludwig Baumann als Sieger hervor. Vermutlich hatte sein Entwurf schon alleine aufgrund des Titels einen gewissen Konkurrenzvorteil: Der Thronfolger war bekanntermaßen großer Anhänger des Baustils Maria Theresias und konnte modernen Strömungen wie der Sezession nur wenig abgewinnen.

Imposant und kolossal wünschten sich die Mächtigen das neue Kriegsministerium. Neobarocke Spielereien sollten Glanz und Glorie des Kaiserreichs zum Ausdruck bringen – ein Sinnbild für den Hang der späten Habsburgermonarchie zum Nostalgischen und Verklärten.

Das modernste Bürogebäude seiner Zeit

Die Fertigstellung des gewaltigen Gebäudes erforderte eine logistische Meisterleistung. Die Baukosten betrugen 12,8 Millionen Kronen, 238 Firmen waren beschäftigt. Neben Ziegeln aus den umliegenden Ziegelwerken und regionalen Bausteinen wurden auch sogenannte Karstmarmore aus Gebieten der ehemaligen Kronländer in Istrien und Italien verbaut. Über dem Haupteingang wurde symbolisch für die bewaffnete Macht der Monarchie ein 40 Tonnen schwerer Bronzeadler mit einer Flügelspannweite von 15 Metern installiert. Im ursprünglichen Plan war er jedoch ebenso wenig vorgesehen wie die kuppelartigen Dachaufbauten.

Das Herzstück des Bauwerks stellte der doppelstöckige Ratssaal dar. Dieser glänzte mit reichlich Stuck, einem Scheinkamin und zahlreichen Büsten – Dinge, die durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs verloren gingen. Seine heutige Bezeichnung als Marmorsaal ist insofern irreführend, als dass in ihm kein echter Marmor, sondern Stuckmarmor (eingefärbter Gips) verarbeitet wurde. Viele der Ringstraßenbauten weisen Raumelemente in dieser komplizierten Technik auf.

Nach vierjähriger Bauzeit wurde das Haus 1913 im Rahmen einer pompösen Eröffnungszeremonie und im Beisein des Kaisers eingeweiht. Ausgestattet mit einer Zentralheizung, mehreren Paternostern, einer zentralen Uhrenanlage, über 2.500 Fenstern und zahlreichen Infrastruktureinrichtungen war es das modernste Bürogebäude seiner Zeit. 2.000 Bedienstete fanden darin Platz.

Kohle, Asche, Bier und Wein

Obwohl mittlerweile 100 Jahre vergangen sind, ist die Nummerierung der neun Innenhöfe unverändert. Selbst die meisten Zimmernummern sind ident. Bei der Nutzung der Räumlichkeiten hat sich im Laufe der Zeit freilich viel getan. So gab es im Keller große Depoträume für Kohle und Asche sowie für Bier und Wein. Aber auch Organisationseinheiten wie die Hausverwaltung oder der Schlosser mussten im tristen Untergeschoss ihren Dienst tun. Trotz hartnäckiger Spekulationen gilt es heute als gesichert, dass keine geheimen Verbindungsgänge zu anderen Gebäuden der Inneren Stadt existieren.

Im Tiefparterre befand sich in denselben Räumlichkeiten wie bis vor Kurzem ein Postamt, eine Trafik und ein Friseur (heute Telefonzentrale). Weiters waren dort unter anderem die Sattelkammer, die Setzerei und Buchbinderei, der Maschinensaal sowie eine Hausdiener-Wohnung untergebracht. Links neben dem Haupteingang arbeitete man damals in einer Konfektionsanstalt. Im Hof 6 befand sich eine gedeckte Reitschule und der Zugang zu den Stallungen war im Hof 8. Im Hochparterre gab es unter anderem eine Druckerei, eine Offiziersküche samt Speisesaal, eine Apotheke, eine Telefonzentrale sowie Zimmer für Translatoren.

Um die Kriegsschiffe der Marine anzufunken, befand sich auf der Ringstraßenseite im fünften Stock ein Telegrafensaal und auf der Gebäuderückseite eine Radio-Telegrafie-Anlage. 1924 nahm von dort aus der erste Radiosender des Landes seinen Betrieb auf.

Morgendämmerung einer neuen Zeit

Mit der Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg ging eine Epoche zu Ende. Der Zerfall Österreich-Ungarns wurde unumkehrbar und so war auch das Schicksal des Kriegsministeriums besiegelt: Im November 1918 beschloss die Provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs seine Auflösung. Was folgte, waren stürmische Jahre.